Freitag, 24. März 2017

Goße Brennessel (Urtica dioica) & Kleine Brennessel (Urtica urens)

Schon früh war die Aufmerksamkeit der Menschen auf die Brennessel gerichtet. Die alten Griechen kannten sie als Akalypte, und Dioskurides schreibt, daß sie menstruationsfördernd, erweichend, wind- und harntreibend wirke und gut gegen Hundebiß, krebsartige Geschwüre, brandige Wunden, Furunkeln, Geschwülste, Drüsenanschwellungen, Verrenkungen, Nasenbluten, Milzerkrankungen, Brustfell- und Lungenentzündung, Asthma, Hautgrind und Mundkrankheiten sei. Scribonius Largo nennt die Samen in einem Rezept gegen trockenen Husten, während er das Kraut u. a. bei Bleiweißvergiftung und Epilepsie anwendet. Plinius, Amatus Lusitanius und Sartorius rühmen die blutstillende Kraft der Nessel. Die Kräuterbücher des 16. Jahrhunderts bringen über sie hauptsächlich das, was schon Dioskurides sagt. Urtica dioica und U. urens wurden von Lehnhardt (Arzneyen ohne Maske) mit Erfolg bei Wassersucht angewendet. Quarin, Deidier (gest. 1746) und Rosner empfahlen die Brennessel bei Hämorrhagien und Bluthusten, Aepli in Dissenhofen dringend bei Blutharnen, Bullar und Cazin bei Blutflüssen und Hautausschlägen. Als Sympathiemittel spielte sie immer eine große Rolle, ein Beispiel dafür ist folgendes Rezept zur Vertreibung des Fiebers aus der Magdeburger Gegend: Man nimmt eine Handvoll Salz und sät das in Brennesseln. Dabei spricht man:

    "Ich streue meinen Samen
    In neunundneunzigeren Fiebers Namen,
    Aber du sollst nicht aufgehn,
    Bis ich komme und schneid dich ab."

In der tschechischen Volksmedizin wird die Brennessel bei Erkrankungen der Atmungsorgane, auch bei Tuberkulose, und gegen Schlaflosigkeit, äußerlich zu Auflagen auf Geschwülste gebraucht. Neuerdings wird dem Anbau von Brennesseln zur Gewinnung von Gewebsstoffen wieder größere Beachtung geschenkt.

Beschreibung (von Dr. Maddaus):

Die stark variierende Urtica dioica besitzt einen ausdauernden, kriechenden, stark verästelten Wurzelstock. Ihr 30-150 cm hoher Stengel ist einfach, vierkantig, mit kurzen Borsten und langen Brennhaaren besetzt. Die gegenständigen eiförmigen bis länglichen Blätter sind am Grunde herzförmig oder abgerundet und am Rande grob gesägt. Die Blütenzweige tragen in der Regel nur männliche oder nur weibliche Blüten. Diese sind unscheinbar grün und windblütig. Sie haben ein vierteiliges Perigon. In den weiblichen Blüten findet sich ein oberständiger Fruchtknoten mit großen, pinselförmigen Narben. Die Frucht ist ein kleines, einsamiges Nüßchen. Die männlichen Blüten enthalten vier eingebogene Staubgefäße, die beim Öffnen der Blüten (was besonders bei Erwärmung geschieht) sich ruckartig aufrichten und dabei den Blütenstaub in Form eines kleinen Wölkchens ausstreuen. Die Große Brennessel blüht vom Juli bis in den Herbst.

Urtica urens ist einjährig. Gewöhnlich wird sie zwischen 15 und 45 cm hoch. Aus der gelblich-weißen Wurzel entspringt der meist einfache, manchmal aber schon von Grund an verästelte Stengel. Er ist vierkantig und grün, bisweilen unten auch rotbraun gefärbt. Nach allen Seiten ist er mit waagerecht-abstehenden Brennhaaren besetzt, zwischen denen sich kleinere, etwas gekrümmte gewöhnliche Haare finden. Die kreuzweis-gegenständig angeordneten Blätter sind eiförmig bis elliptisch-lanzettlich, spitz und eingeschnitten gesägt. Sie sitzen an rinnigen Stielen. Diese tragen nur vereinzelte Brennhaare, während die Blattfläche mehr oder weniger dicht mit aufrecht stehenden Brennhaaren besetzt ist. Die Blütenährchen entspringen zu zweien aus jeder Blattachsel. An ihnen stehen sowohl die männlichen als auch die weiblichen Blüten. Der Kelch der männlichen Blüten ist vierteilig. Diese enthalten vier elastisch aufspringende Staubgefäße, während die weiblichen Blüten neben zwei winzigen zwei sehr große Kelchblätter besitzen, die dem Fruchtknoten eng anliegen. Auf bebautem Boden, auf Schutt, an Wegen, Mauern und Häusern, am liebsten im Halbschatten, ist die Pflanze allgemein verbreitet. Sie blüht vom Juli bis September.

01. Brennessel als Futterpflanze

01.01. Allgemeines
  • Verwertbare Teile
    • zarte Blätter und Triebe
    • halbreife bis reife Samen
  • Vogelarten
    • als kleingeschnittenes "Grünzeug":
      • Wasservögel wie Enten, Gänse, Schwäne
      • Hühnervögel wie Wachteln, Fasane, Auerhahn, Birkwild, Rauhfußhühner
    • als Zusatz zum Aufzuchtfutter in kleinen Mengen:
      • alle Körner- und Weichfresser
    • Samen:
      • Prachtfinken
      • Pfäffchen
      • Girlitze
      • Kanarien
      • Gimpel
      • Kardinäle
      • Sittiche
      • Kleine Papageien
  • Tipp aus der Züchterstube
    • Die vitaminreichen Blätter werden von Züchtern gerne bei der Aufzucht von Jungvögeln genutzt. Hierbei gibt es zwei Varianten:
      • Gereinigte Blätter kleinschneiden und in separaten Futternäpfen anbieten.
      • Gereinigte Blätter klein schneiden und unter das Aufzuchtsfutter mischen.
    • Als Beschäftigungsmöglichkeit und Leckerle können Brennessel mit dem Saen in ie Voliere gehängt werden.
01.02. Sammelkalender
  • Bielfeld
    • März bis Mai: Brennesseltriebe
    • Juni bis Dezember: Brennesselsamen
  • Sonnenschmidt / Wagner
    • April bis Juni: Blätter
02. Brennessel als Heilpflanze

Schauen wir uns die Brennessel eimal als Heilpflanze an.

Man verwendet:
  • Große Brennessel (Urtica dioica)
  • Kleine Brennessel (Urtica urens)

02.01. Inhaltsstoffe (lt. Wikipedia)

Kraut und Blätter enthalten zahlreiche Inhaltsstoffe, als wichtigste Skopoletin und ?-Sitosterin, daneben 1 bis 2 % Flavonoide (Quercetin-, Kämpferolglykoside), 1 bis 4 % Silikate. Die Wurzel enthält zusätzlich 0,1 % eines spezifischen Lektins, des sogenannten „Urtica dioica Agglutins“. Der Brennsaft enthält Histamin, Acetylcholin und Serotonin. Die Pflanze ist reich an Vitaminen A und C, Eisen, Kalium, Mangan und Calcium.

02.02. Positive und nachgesagte Wirkungen

  • Gicht
  • Stoffwechsel
  • Leistungsschwäche
  • Brut, Jungenaufzucht
  • Mauser
  • Erschöpfung
02.03. Aufbereitung

Als Teile werden genutzt:
  • Blätter
  • Samen (enthalten Pflanzenhormone.)
02.04. Anwendungsbeispiele aus der Praxis

Die Naturheilkunde, also auch die Heilpflanzenkunde (Phytotherapie) ist auch "Erfahrungsheilkunde". Leider steckt die Anwendung bei Tieren hierzulande immer noch in den Kinderschuhen, was die Anzahl der ernstzunehmenden Fachbücher wiederspiegelt. Wir finden im Bereich Ziervögel kaum etwas. Meistens gibt es Angaben im Bereich Nutztiere, im Vogelbereich also Hühner oder Tauben.


"Stoffwechselreinigung"
nach Sonnenschmidt / Wagner
Anwendung:
  • Löwenzahnblätter kurz mit heißem Wasser überbrühen. Damit wird das Nesselgift unschädlich gemacht.
  • Anschliessend werden die Blätter klein gehackt.
  • Die Blätter, als auch Brennesselsamen werden unter das Futter gemischt.
"Frühjahrskur"
nach Sonnenschmidt / Wagner
Teemischung:
  • Löwenzahn
  • Brennessel
  • Bärlauch
  • Schafgabe
Anwendungshinweise
  • Pflanzen im Frühjahr (März, April, Mai) sammeln.
  • Pflanzen gründlich reinigen und klein schneiden.
  • Unter das Weichfutter mischen und anbieten.
Dauer:
  • Die Kur sollte 4 Wochen dauern.
"Haut- und Stoffwechseltee"
nach Sonnenschmidt / Wagner
Teemischung:
  • 20g Walnussblätter (Folia Junglandis)
  • 20g Stiefmütterchenkraut (Herba Violae tricoloris)
  • 20g Brennesselkraut (Herba Urtica)
  • 20g Löwenzahn (Radix Taraxci c. Herb)
  • 10g Ringelblumenblüten (Flores Calendula)


Nachgesagte Wirkung:


Der Tee wirkt blutreinigend, stärkend, stoffwechselfördernt und entzündungshemmend.


Anwendungshinweise:
  • 1 gestrichenen Teelöffel voll Teemischung mit 200 ml heißem Wasser überbrühen. 5 Minuten ziehen lassen, dann abseihen.
  • Etwas abkühlen lassen, damit sich die Vögel nicht verbrühen.
  • Der Tee kann, sofern keine Kontraindikation vorliegt, mit etwas Honig (Bitte kein Industriehonig, sondern vom örtlichem Imker.) gesüßt werden.
Mauser-Tee
nach Sonnenschmidt / Wagner
Teemischung
  • 20g Vogelknöterich (Herba Polygonum)
  • 20g Ackerschachtelhalm (Herba Equiset)
  • 20g Haferstroh (Stramentum Avenae)
  • 20g Brennesselkraut (Herba Urticae)


Nachgesagte Wirkungen:


Der Mausertee ist kieselsäurereich und entzündungshemmend.


Anwendungshinweise:
  • 1 Teelöffel auf 200 ml Wasser aufkochen und über Nacht stehen lassen.
  • Tee am nächsten Tag noch einmal kurz aufkochen lassen und abseihen.
  • Nach dem Abkühlen anbieten.
  • Der Tee kann, sofern keine Kontraindikation vorliegt, mit etwas Honig (Bitte kein Industriehonig, sondern vom örtlichem Imker.) gesüßt werden.
Nierentee
nach Sonnenschmidt / Wagner
Teemischung
  • 20g Goldrutenkraut (Herba Solidaginis)
  • 20g Brennessel (Herba urticae)
  • 20g Birkenblätter (Folia Betulae)
  • 20g Ackerschachtelhalm (Herba Equiseti)
  • 20g Himbeerblätter (Folia Rubi idaei)


Nachgesagte Wirkungen:


Der Tee ist nierenanregend, entwässernd, entzündungshemmend und hat eine positive Wirkung bei der Ausscheidung von Harnsäure.


Anwendungshinweise:
  • 1 gestrichenen Teelöffel mit 200 ml heißem Wasser überbrühen.
  • 5 Minuten ziehen lassen, und dann abseihen.
  • Erkalten lassen und dem Vogel anbieten.
  • Der Tee kann, sofern keine Kontraindikation vorliegt, mit etwas Honig (Bitte kein Industriehonig, sondern vom örtlichem Imker.) gesüßt werden.


Austausch erwünscht
Wir würden uns freuen, wenn Ihr mit uns Eure Erfahrungen bezüglich dieser interessanten Heilpflanze teilen würdet:
Nur wenn man miteinander redet, wird wervolles Wissen weiter gegeben. Von Wissen können wir alle profitieren.

Quellen:
  • Sonnenschmidt / Wagner: "Kraulschule für zahme Vögel"
  • Bielfeld: "Vogelfutter aus der Natur"
  • Maddaus: "Lehrbuch der Biologischen Heilmittel", 1938

© 2017, Nicole Müller
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