Schon früh war die Aufmerksamkeit der Menschen auf die Brennessel gerichtet. Die alten Griechen kannten sie als Akalypte, und Dioskurides schreibt, daß sie menstruationsfördernd, erweichend, wind- und harntreibend wirke und gut gegen Hundebiß, krebsartige Geschwüre, brandige Wunden, Furunkeln, Geschwülste, Drüsenanschwellungen, Verrenkungen, Nasenbluten, Milzerkrankungen, Brustfell- und Lungenentzündung, Asthma, Hautgrind und Mundkrankheiten sei. Scribonius Largo nennt die Samen in einem Rezept gegen trockenen Husten, während er das Kraut u. a. bei Bleiweißvergiftung und Epilepsie anwendet. Plinius, Amatus Lusitanius und Sartorius rühmen die blutstillende Kraft der Nessel. Die Kräuterbücher des 16. Jahrhunderts bringen über sie hauptsächlich das, was schon Dioskurides sagt. Urtica dioica und U. urens wurden von Lehnhardt (Arzneyen ohne Maske) mit Erfolg bei Wassersucht angewendet. Quarin, Deidier (gest. 1746) und Rosner empfahlen die Brennessel bei Hämorrhagien und Bluthusten, Aepli in Dissenhofen dringend bei Blutharnen, Bullar und Cazin bei Blutflüssen und Hautausschlägen. Als Sympathiemittel spielte sie immer eine große Rolle, ein Beispiel dafür ist folgendes Rezept zur Vertreibung des Fiebers aus der Magdeburger Gegend: Man nimmt eine Handvoll Salz und sät das in Brennesseln. Dabei spricht man:
"Ich streue meinen Samen
In neunundneunzigeren Fiebers Namen,
Aber du sollst nicht aufgehn,
Bis ich komme und schneid dich ab."
In der tschechischen Volksmedizin wird die Brennessel bei Erkrankungen der Atmungsorgane, auch bei Tuberkulose, und gegen Schlaflosigkeit, äußerlich zu Auflagen auf Geschwülste gebraucht. Neuerdings wird dem Anbau von Brennesseln zur Gewinnung von Gewebsstoffen wieder größere Beachtung geschenkt.
Beschreibung (von Dr. Maddaus):
Die stark variierende
Urtica dioica besitzt einen ausdauernden, kriechenden, stark verästelten Wurzelstock. Ihr 30-150 cm hoher Stengel ist einfach, vierkantig, mit kurzen Borsten und langen Brennhaaren besetzt. Die gegenständigen eiförmigen bis länglichen Blätter sind am Grunde herzförmig oder abgerundet und am Rande grob gesägt. Die Blütenzweige tragen in der Regel nur männliche oder nur weibliche Blüten. Diese sind unscheinbar grün und windblütig. Sie haben ein vierteiliges Perigon. In den weiblichen Blüten findet sich ein oberständiger Fruchtknoten mit großen, pinselförmigen Narben. Die Frucht ist ein kleines, einsamiges Nüßchen. Die männlichen Blüten enthalten vier eingebogene Staubgefäße, die beim Öffnen der Blüten (was besonders bei Erwärmung geschieht) sich ruckartig aufrichten und dabei den Blütenstaub in Form eines kleinen Wölkchens ausstreuen. Die Große Brennessel blüht vom Juli bis in den Herbst.
Urtica urens ist einjährig. Gewöhnlich wird sie zwischen 15 und 45 cm hoch. Aus der gelblich-weißen Wurzel entspringt der meist einfache, manchmal aber schon von Grund an verästelte Stengel. Er ist vierkantig und grün, bisweilen unten auch rotbraun gefärbt. Nach allen Seiten ist er mit waagerecht-abstehenden Brennhaaren besetzt, zwischen denen sich kleinere, etwas gekrümmte gewöhnliche Haare finden. Die kreuzweis-gegenständig angeordneten Blätter sind eiförmig bis elliptisch-lanzettlich, spitz und eingeschnitten gesägt. Sie sitzen an rinnigen Stielen. Diese tragen nur vereinzelte Brennhaare, während die Blattfläche mehr oder weniger dicht mit aufrecht stehenden Brennhaaren besetzt ist. Die Blütenährchen entspringen zu zweien aus jeder Blattachsel. An ihnen stehen sowohl die männlichen als auch die weiblichen Blüten. Der Kelch der männlichen Blüten ist vierteilig. Diese enthalten vier elastisch aufspringende Staubgefäße, während die weiblichen Blüten neben zwei winzigen zwei sehr große Kelchblätter besitzen, die dem Fruchtknoten eng anliegen. Auf bebautem Boden, auf Schutt, an Wegen, Mauern und Häusern, am liebsten im Halbschatten, ist die Pflanze allgemein verbreitet. Sie blüht vom Juli bis September.